CFS

CFS

CFS, das chronische Erschöpfungssyndrom, eine Krankheit, die zu völlig desolaten Zuständen führt

Das Chronische Erschöpfungssyndrom (Chronique Fatigue Syndrome, CFS)

Charakteristik und Symptome

Einstufung und Diagnose-Kriterien

Ursachenforschung

Ansätze der Klinischen Umweltmedizin und der Funktionellen Medizin

Situation der Patienten

Vorbemerkung:
Für diese Erkrankung möchten wir als MCS/CFS-Initiative weiterhin den Begriff „CFS“ verwenden und damit alles einschließen, auch wenn teilweise andere Bezeichnungen wie „ME/CFS“ oder einfach „ME“ benutzt werden.

 

Charakteristik und Symptome

CFS ist eine chronisch entzündliche, neuroimmunologische Multisystem-Erkrankung, die eine ganze Reihe von Organsystemen betrifft.

Menschen, die von dieser schweren Erkrankung betroffen sind, leiden an einer lähmenden, außerordentlichen und starken Erschöpfung, die normale Alltagsaktivitäten erschwert oder auch unmöglich macht. Ein besonderes Merkmal ist, dass durch Schlaf und Ruhepausen keine wirkliche, längere Erholung stattfindet. Hinzu kommen Schlafstörungen, ein nicht erholsamer Nachtschlaf und oft weitere Nebensymptome, zum Teil in sehr schwerer Ausprägung, z .B.:

  • Allgemeines Krankheitsgefühl, Halsschmerzen, Kopfschmerzen
  • Erhöhte Temperatur, geschwollene Lymphknoten
  • Sog. „Brain-Fog, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Koordinationsprobleme,
  • Überempfindlichkeit gegenüber Sinnesreizen (Licht, Geräusche)
  • Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, orthostatische Intoleranz
  • Herzrasen, Blutdruckschwankungen, Schwindel
  • Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Medikamentenunverträglichkeiten

Diese Symptome können sich schon nach geringer geistiger und körperlicher Anstrengung deutlich und nachhaltig verschlechtern, teilweise erst mit Verzögerung. Für diese Belastungsintoleranz hat sich der Begriff „Post-Exertional Malaise“ (PEM) etabliert, d.h. ungefähr „Beschwerden nach Anstrengung“. Etwas genauer trifft es der ebenfalls verwendete Begriff „Post-Exertional Neuroimmune Exhaustion“ (PENE) mit dem Wort „Erschöpfung.

Ein großer Teil der Patienten wird arbeitsunfähig, manche sogar zum Pflegefall und bettlägerig.

 

Einstufung und Diagnose-Kriterien

Im Internationalen ICD 10-Katalog der WHO wird CFS mit den Ziffern G93.3 geführt. Die Einstufung als neurologische Erkrankung besteht schon seit 1969.

Da es bisher noch keine offiziell anerkannten Stoffwechsel-Marker gibt, wird zur Diagnose eine Liste von Symptomen herangezogen. Hier haben sich die 2003 veröffentlichten sog. Kanadischen Konsens-Kriterien (CCC, von Carruther et al.)*1 etabliert. Eine 2011 als Weiterentwicklung gedachte Version des Kriterien-Katalogs eines Verbundes von CFS-Experten wird auch manchmal angewandt, ist aber auch zum Teil etwas enger gefasst (Internationale Konsens-Kriterien, ICC)*2.

Die Kanadischen Konsens-Kriterien beinhalten folgende Verhältnisse und Symptome:

  1. Erschöpfung und Zustandsverschlechterung nach Belastung (Belastungsintoleranz, PEM, s.o.)
  2. Schlafstörungen (nicht erholsamer, oft verkürzter Schlaf, Schlafrhythmus-Störungen)
  3. Schmerzen (deutliche Myalgien: Muskeln, Gelenke, Kopfschmerzen)
  4. Neurologische, kognitive Manifestationen (2 von 7 Kriterien müssen erfüllt sein, genannt werden u .a. Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Wahrnehmungs- und sensorische Störungen)
  5. Autonome, neuroendokrine, immunologische Manifestation (mindestens je ein Symptom in wenigstens zwei der genannten Kategorien, z.B. Darmstörungen, Herzrasen, Intoleranz gegenüber Hitze und Kälte, grippeähnliche Symptome)
  6. Dauer seit mindestens sechs Monaten

(Ausführlicher auf Deutsch z .B. hier https://mecfs-freiburg.de/pages/diagnosekriterien.html)

Trotz der genannten klaren Einstufung und Kriterien wurde und wird CFS oft stigmatisiert und nicht ernst genommen. Patienten wurden zum Teil psychiatrisiert und manche von ihnen entsprechend behandelt, oft mit katastrophalen Folgen für die Betroffenen und mit einer zum Teil dauerhaften Verschlechterung ihres Zustandes.

Eine unrühmliche Rolle spielte in diesem Zusammenhang die sog. -PACE-Studie, die 2011 im renommierten britischen Medizin-Journal „The Lancet“ erschien, und behauptete, Kognitive Verhaltenstherapie und ansteigende Bewegungstherapie würden CFS-Patienten helfen. Dabei gaben die Rohdaten dieses Ergebnis nicht her, wie sich später herausstellte. Inzwischen wurde Ende 2020 mit der Veröffentlichung einer neuen Richtlinie durch eine britische Gesundheitsbehörde endlich eine Kehrtwendung vollzogen.

https://europaem.eu/bibliothek/blog-de/neue-britische-leitlinie-fuer-me-cfs-koennte-internationalen-kurswechsel-einlaeuten

Die traurige Zahl der vielen Long Covid-Fälle (auch eine bestimmte Form von CFS) hat zumindest dazu geführt, dass die Erkrankten inzwischen endlich deutlich ernster genommen werden, wenn auch noch nicht von allen medizinischen Richtungen und Ärzten.

 

Ursachenforschung

 

Auslöser für eine CFS-Erkrankung ist in der überwiegenden Zahl der Fälle eine virale, bakterielle oder parasitäre Infektion. Doch warum der Stoffwechsel sich nach einer Infektion plötzlich nicht mehr erholt blieb oder bleibt in der offiziellen Medizin eine ungelöste Frage.

Allerdings:
Schon 2007 veröffentlichte Prof. em. Martin Pall sein Buch „Explaining Unexplained Illnesses“, in dem er den gemeinsamen Krankheitshintergrund von chronischen Multisystem-Erkrankungen wie CFS, MCS oder Fibromyalgie darstellte. Schon damals schrieb er, dies sei eigentlich nur eine Zusammenfassung von bereits bekannten Forschungsergebnissen.

Doch die Erkenntnisse der Forscher und Ärzte, die die verschiedenen Ursachenkomplexe für CFS herausgearbeitet hatten, fanden keinen Niederschlag in der offiziellen Diagnose und Behandlung. Es gab und gibt verdienstvolle Mediziner, die sich der lange gängigen psychosomatischen und psychiatrischen Erklärung nicht anschlossen und die Patienten von Anfang an ernst nahmen. Aber in der Therapie kam man nicht grundlegend weiter. Zeitweise sah es nach einem viralen Ursprung aus, weil ein antivirales Mittel einer Reihe von Patienten half. In neueren Zeiten untersucht man vor allem Autoantikörper, weil eine Entfernung dieser Antikörper durch Blutwäsche für eine Reihe von Patienten eine deutliche Verbesserung ihres Zustandes bedeutet, was ein großer Fortschritt ist. Allerdings hilft eine Apherese nicht allen Patienten und auch nicht allen auf Dauer.

Doch immer noch stehen die Fragen im Raum, warum denn der Organismus z.B. einen Virus nicht in den Griff bekommt bzw. der Stoffwechsel entgleist und welche Ursache das Auftreten von Autoantikörpern haben könnte. Und der Ort der Energieproduktion in der Zelle, die Mitochondrien, und die Frage, warum sie nicht mehr richtig arbeiten können, spielt in den derzeitigen Forschungsansätzen keine große Rolle.

 

Ansätze der Klinischen Umweltmedizin und der Funktionellen Medizin

 

Im Zuge der oben gestellten Fragen haben die Fachrichtungen der Klinischen Umweltmedizin und der Funktionellen Medizin im Laufe der 00/10er Jahre einen multifaktoriellen Ansatz herausgearbeitet. Eine ausführliche Anamnese und gründliche Laboruntersuchungen zur Identifizierung bereits vorhandener entzündlicher und subinflammatorischer Prozesse und die Einkreisung deren Ursachen bilden unter Einbeziehung des Konzeptes des oxidativen und nitrosativen Stresses die Grundlage ihrer Therapie.

Autoantikörper z.B. können auch durch nitrosativen Stress entstehen, der körpereigene Eiweiße so verändert, dass sie vom Immunsystem als fremd angesehen werden.
Ebenso kann dadurch die Funktionsfähigkeit der Mitochondrien blockiert werden, was zum Energiemangelsyndrom führt. Mitochondrien können auch direkt durch Schadstoffe geschädigt werden.
Auch die Funktion des Immunsystems kann durch oxidativen und nitrosativen Stress beeinträchtigt werden.
Und: Unbehandelter nitrosativer Stress führt schnell zu einer Chronifizierung des pathologischen Stoffwechselgeschehens. Die Biochemie dahinter ist bekannt.

Untersucht bzw. abgeklärt werden v.a.:

  • Entzündungsmarker (Klassische Marker, Zytokine, oxidat. + nitrosativer Stress)
  • Abklärung von möglichen Entzündungsherden (u.a. Kiefer, Zähne)
  • Bestehende Belastung mit Viren, Bakterien, Parasiten
  • Immunstatus, Mitochondrien-Status
  • Allergien und Unverträglichkeiten (u.a. Zahnwerkstoffe, Nahrungsmittel)
  • Schadstoffbelastung und Entgiftungskapazität
  • Vitamin- und Mineralien-Status
  • Physische Traumata (v.a. Hals/Kopf), Instabile Halswirbelsäule
  • Psychische Traumata, PTBS, starker Stress

Sind durch Anamnese und Untersuchung die wichtigsten Faktoren eingekreist, hat man eine gute Grundlage für eine erfolgreiche Therapie.

Prof. Schieffer, Direktor der Kardiologe der Uniklinik Marburg und Leiter einer Post-Vac-Station, bestätigte aus seinen Erfahrungen heraus, aber ohne dies zu beabsichtigen, in einem Interview den breiten Ansatz der Klinischen Umweltmedizin:

"Wir arbeiten die Patienten systematisch auf. […] Dabei versuchen wir möglichst das komplette Umfeld des Patienten zu erfassen, von der Umwelttoxikologie über die Immunologie bis zur Soziologie."

Dabei kommt etwas heraus?

"Ja. Und das ist mitunter eine faustdicke Überraschung, vor allem für die Patienten selbst. Beispielsweise, wenn sich herausstellt, dass eine Zöliakie oder Glutensensitivität vorliegt, von der bis dahin nichts bekannt war. Oder sich aber der Patient – wiederum ohne etwas zu ahnen – über seine Hauskatze eine Toxoplasmose eingefangen hat. Und wenn wir dann die Unverträglichkeit oder die Infektion behandeln, verschwindet in der Regel auch das Post-Vac-Syndrom wieder."

(Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger vom 18.06.22)

 

Situation der Patienten

 

Die überwiegende Zahl der CFS-Patienten ist arbeitsunfähig, etwa 20 % bettlägerig und pflegebedürftig. Diese schlimmen Fakten werden noch verstärkt durch:

  • Eine Psychiatrisierung der Patienten (das ändert sich im Zuge von Long Covid zur Zeit)
  • Kaum Anlaufstellen für eine erfolgversprechende Behandlung
  • Große finanzielle Sorgen wegen Arbeitsunfähigkeit

Die Hilferufe und Forderungen der Patientenorganisationen blieben jahrzehntelang ungehört. Zur Zeit finden sich leichte Verbesserungen, die Politik hat ein etwas offeneres Ohr, auch nehmen viel mehr Ärzte die Erkrankung ernst. Aber es fehlt vielfach noch der Wille zur Umsetzung von wirklichen Änderungen.

Wir als MCS/CFS-Verein setzen uns weiterhin dafür ein, dass der oben genannte Ansatz der Klinischen Umweltmedizin und der Funktionellen Medizin endlich die Anerkennung bekommt, die er verdient, damit nicht nur Patienten, die zufällig davon gehört und einen Behandler in ihrer Region haben sowie die nötigen finanziellen Mitteln, eine fundierte Hilfe erfahren.

*1 Carruthers B. M. et al. (2003), Myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome: Clinical working case definition, diagnostic and treatment protocols (Canadian case definition), Journal of Chronic Fatigue Syndrome, 11(1): 7-115.

*2 Carruthers B. M. et al. (2011), Myalgic encephalomyelitis: International Consensus Criteria, Journal of Internal Medicine, 270 (4): 327–338, doi:10.1111/j.1365-2796.2011.02428.x

 

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